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WACKEN 2025 | Mittwoch, 30.07.2025 2/2 - Holy Ground - 30.07.2025

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WACKEN 2025 | Mittwoch, 30.07.2025 2/2 - Holy Ground

Tag 2: Mittwoch, 30.07.2025, Teil 2/2

WACKEN WEDNESDAY 2025: Schlammkur, Cellos, Choräle und Spielmannsschwüre

Der erste (offizielle) Festivaltag in Wacken beginnt – wie so oft – mit einem nassen Handkuss der Natur. Schon am Vormittag ist der Acker weich, die Wege sind rutschig, Ponchos und Gummistiefel zählen zur Grundausstattung. Offizielle Prognosen sprechen von ergiebigem Regen zum Start und um die 17 °C. „Das Schlimmste ist vorbei“, meldet der DWD später, was sich als ausgewachsene Wetterdienst-Ente aus dem Ei schält, denn heute steht das Barometer klar auf „Matsch-Metal“.

Wetter, Wege, WACKEN

Der Mittwoch belebt die berühmten Wacken-Saga um ein weiteres Kapitel: Schlamm bis zum Knöchel, ein paar Schauer, dafür umso mehr gut gelaunte Gummistiefel-Polonaise. Medien berichten vom schwierigen Start, der DWD beruhigt für die Folgetage – heute heißt es: entweder du tanzt, oder du pflügst, tatsächlich eigentlich: beides gleichermaßen. Wacken-Anekdote des Tages: die WACKEN FIREFIGHTERS (siehe hier auch den Festivalbericht meiner Kollegin Susanne Pfitzner) eröffnen traditionell die Wackinger-Stage und bekommen frenetischen Applaus – Feuerwehr-Spielmannszug als Festival-Mythos. Später pilgern viele noch zur Metal Church und schließen bei MAMBO KURT das erste Kapitel ab. 85.000 Menschen, die ein Dorf und eine Idee am Leben halten – „Wacken Wednesday“ ist wieder offizieller Feiertag.

DOGMA | WACKEN 2025-07-30

Der Fahrplan: Von Nonnen-Gothic bis Symphonic-Spitzenklasse

Wacken fährt zum Auftakt sofort schwere Geschütze auf. Laut offizieller Running Order eröffnen DOGMA mittags die Louder-Stage, gefolgt von ENEMY INSIDE und LITA FORD. Auf der Faster-Stage treiben WIND ROSE die ersten Circle Pits durchs Lehmfeld, ehe APOCALYPTICA mit Cello-Gewitter glänzen. Später liefern HANABIE ihren Harajuku-Core, Tarja & MARKO HIETALA feiern die große finnische Reunion – und BEYOND THE BLACK, sowie die Spielleute von SALTATIO MORTIS setzen auf der Faster-Stage die Primetime-Ausrufezeichen. Zudem auf dem Plan der Metalheads: Die WACKEN FIREFIGHTERS als Traditions-Opener, Metal Church samt Gottesdienst, MAMBO KURT dann zur Geisterstunde. Wacken eben.

Shows des Tages

DOGMA (LOUDER)

Fünf Frauen, Nonnentracht, Pseudonyme – Lilith, Lamia, Nixe, Rusalka und Abrahel – und ein Sound zwischen Hard Rock und heavy-metallischer NWOBHM-Schattierung. DOGMA pflegen Anonymität als Konzeptkunst, subvertieren offen katholische Symbolik und predigen Anti-Repressions-„Gospel“. Musikalisch ist das eine eingängige, riffstarke Mischung aus Classic-Metal-Rasanz, Hook-Chören und sinistrer Theatralik; das Debüt erscheint über MNRK Heavy und positioniert die Schwesternschaft als „nun-rockers“ der Gegenwart. Auf der Bühne funktioniert das heute brillant: theatralische Gestik, eiserner Groove, viel Call-and-Response – und das ganze Feld singt „Hail!“ auch im Nieselregen. Herkunft? Bewusst verschleiert – die Band kommuniziert sich als anonymes, international besetztes Kollektiv; das passt zum Bildersturm und verhindert Provinz-Schubladen. Genre? Occult/Classic Heavy Metal mit Pop-Attitüde.

ENEMY INSIDE (LOUDER)

Im Anschluss gibt es Moderne Dunkelglut aus Aschaffenburg: ENEMY INSIDE verbinden Dark-Rock-Melodik mit druckvollen Modern-Metal-Riffs – getragen von Nastassja Giulias präsentem, klaren Gesang und den polierten Hooks von Gitarrist Evan K. Live prallen wuchtige Midtempo-Grooves und hymnische Refrains aufeinander; die neuen „Venom“-Stücke reihen sich souverän neben „Crystallize“ ein. Ein sehr appetitlicher Modern/Alternative Metal zwischen Dark Rock und Symphonic-Schimmer, der dankenswerterweise auf die weißen Latex-Jumpsuits des Jahres 2022 verzichtet.

ENEMY INSIDE | WACKEN 2025-07-30

LITA FORD (LOUDER)

LITA FORD nicht als Ikone zu bezeichnen, kommt schon fast einer Majestätsbeleidigung gleich. Die frühere RUNAWAYS-Gitarristin punktet mit Soloklassikern und souveräner Bühnenpräsenz, die immer noch dazu angetan ist, die Fans in ihren Bann zu ziehen. „Kiss Me Deadly“ beweist, dass Hair-Metal-Hymnen selbst im norddeutschen Morast strahlen, zudem gibt es mit ihrem Ohrwurm „Close My Eyes Forever“ einen weiteren Gänsehautmoment, denn dieser Song wird selbstredend dem kürzlich verstorbenen OZZY OSBOURNE gewidmet. Dass hier vor der Bühne einige Fans Tränen in den Augen haben, ist trotz des immerwährenden Nieselregens deutlich zu erkennen.

LITA FORD | WACKEN 2025-07-30

WIND ROSE (FASTER)

Die toskanischen Zwergen-Botschafter schaufeln mit „Diggy Diggy Hole“ und dem neuem „To Be A Dwarf“ tiefe Taktgräben ins Feld. Stilistisch kann man die Chose als Power Metal mit „Dwarf“-Branding und viel Chorgesang bezeichnen – heute besonders effektiv, weil die Crowd auf Stampfrhythmen sogar noch besser vorwärtsrutscht als auf trockenem Geläuf. Waren die Zwerge 2022 noch auf der wesentlich kleineren Wackinger Stage zu bewundern, gibt es in diesem Jahr das verdiente Upgrade und den ersten Gig der Bandgeschichte vor prallgefülltem Infield. Mehr als verdient und von WIND ROSE mit stolzgeschwellter Brust entsprechend gefeiert.

WIND ROSE | WACKEN 2025-07-30

HANABIE. (LOUDER)

Kawaii-Attitüde trifft Breakdown-Physik: „Harajuku-core“ nennen HANABIE ihren Mix aus Metalcore, Hardcore-Punk und J-Pop-Hooks, der live zwischen Blast-Snaps, Trap-Hi-Hats und Zucker-Chants pendelt. Das Infield tanzt Anime-Step im Schlick – was erstaunlich gut funktioniert, obgleich es auch hier viel zu tun gibt für die emsigen Sanitätskräfte, die sich um Fans mit Prellungen, Bänderrissen und Brüchen auch im Schlamm zu kümmern haben. Dass hier nur Freiwillige an den Start gehen, ist klar, wenn auch bei normaler Bezahlung, siehe die NDR-Doku hier.

HANABIE | WACKEN 2025-07-30

APOCALYPTICA (FASTER)

Wenn drei Cellisten die Lautsprecher dominieren, erhält man einen Eindruck davon, was sich seit dem Debüt der finnischen Virtuosen APOCALYPTICA in Sachen Metal mit Cello so alles getan hat und dadurch erst möglich geworden ist. Das Set besteht ausschließlich aus METALLICA-Covern, wobei die Band ausdrücklich auf ihre wuchtigen, eigenen Neo-/Symphonic-Metal-Kompositionen verzichtet, da das neue Album den Faden des Debüt aufnimmt und weitere Hits der Mannen um Hatfield und Hammett auf Cello-Metal transformiert. Somit ist die Marschrichtung klar umrissen, die Zielsetzung eindeutig. Kommerzieller Anspruch zwischen hohem Vibrato und tiefem Punch. Der Regen? Egal: Cellosägen über Matsch als Kunstform funktionieren bestens.

APOCALYPTICA | WACKEN 2025-07-30

TARJA & MARKO HIETALA (LOUDER)

Eine Stimme wie ein Leuchtturm in Nordseegischt: TARJA TURUNEN lässt mit klassisch geschultem Timbre jede Wolkendecke aufreißen. Ob Solo-Material oder gemeinsame Momente mit MARKO HIETALA (der allerdings erst ab Song Nr. 8 bei „Silent Masquerade“ ins Geschehen eingreift) – das Publikum bekommt die große, dramatische Geste, die Symphonic-Metal zur Stadion-Kunst erhebt. Dass dies hier auch auf dem schlammigen W:O:A-Acker die Gemüter abholt, kann man an der Reaktion der Fans ausmachen, die Wind und Wetter trotzen, denn hier wechseln sich Passagen mit Nieselregen und amtlichen Güssen ständig ab.

TARJA & MARKO HIETALA | WACKEN 2025-07-30

BEYOND THE BLACK (FASTER)

Primetime-Slot und deutsche Präzision: Jennifer Haben führt BTB durch ein Set, das moderne Produktionsklarheit mit Genre-DNA verbindet – große Refrains, orchestrale Layer, die Fans im Blick und die Bühne im Griff. Dass sich hier die LED-Wall während der ersten drei Songs (die die Presse fotografieren darf) in ein tristes Schwarz hüllt, bleibt unverständlich.

BEYOND THE BLACK | WACKEN 2025-07-30

SALTATIO MORTIS (FASTER)

Nicht wenige Metalheads rieben sich im vergangenen Jahr verdutzt die Augen, als SALTATIO MORTIS während der Bandvorstellungen für das Jahr 2025 als Headliner präsentiert wurden. Dass diese Huldigung der Leistungen der Band in den vergangenen 25 (!) Jahren vollauf berechtigt ist, zeigt der Gig der Spielleute an diesem Abend, der mit Gewitterwarnung und strömendem Regen als eines der feuchtesten Events des W:O:A 2025 in die Annalen eingehen wird. Die Pyros, die wie gewohnt jede SALTATIO-Show illuminieren, werden von peitschenden Winden und Dauerregen fast gelöscht, Alea im Gummiboot über der feiernden Menge ist genauso unterhaltsam (schafft er es zurück auf die Bühne) wie die zahlreichen Gastauftritte (TINA GUO, TABERNIA, MIRACLE OF SOUND, DEINE COUSINE), die ein grandioses Konzert abrunden und untermauern, warum die Band, die vor genau 25 Jahren auf einem MPS gegründet wurde, in diesem Jahr als Headliner des bedeutendsten Metal-Events der Welt zurecht auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angekommen zu sein scheint. Der abschließende „Spielmannsschwur“ hallt aus den Kehlen der Fans noch minutenlang durch die Nacht, während sich die Band bereits ins Backstage verabschiedet hat. Eines der absoluten Highlights des W:O:A 2025.

FAZIT:

Der erste (offizielle) Festivaltag 2025 steht im Zeichen der Kontraste: visuelle Provokation (DOGMA), moderne Hook-Härte (ENEMY INSIDE), Classic-Metal-Erbe (LITA FORD), Fantasy-Feier (WIND ROSE), Cello-Kunst (APOCALYPTICA), Japan-Crossover (HANABIE), finnischer Spitzengesang (Tarja), heimische Hymnenklasse (BEYOND THE BLACK) und Spielmannsschwüre (SALTATIO MORTIS).

Dazu Regen, der nicht nervt, sondern kuratiert: Wer hier besteht, besteht überall. WACKEN liefert – im Jahr 2025 sogar mit Schlammgarantie.

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Stefan Haarmann - Stellv. Chefredakteur (Info)

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